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Der Weg aus der Coronavirus-Krise?

Der Weg aus der Coronavirus-Krise?

Written by

Robert Maier

Robert Maier
Analyst Published 10 Jun 2020 Read time: 5

Published on

10 Jun 2020

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5 minutes

Die Bundesregierung mobilisiert mit ihrem jüngst beschlossenen Konjunkturprogramm mehr Geld als erwartet

Das neue Konjunkturpaket des Bundes setzt größtenteils auf die Wirkkraft breit angelegter Maßnahmen. Es verbindet die Bewältigung der durch das Coronavirus ausgelösten Rezession allerdings auch mit der Hoffnung, das Land durch die Förderung von Zukunftstechnologien in der Nachkrisenzeit besser zu positionieren.

Wirtschaftliche Auswirkungen der Pandemie

Die deutsche Wirtschaft nähert sich nach Meinung vieler Ökonomen aktuell der Talsohle eines in der jüngsten Vergangenheit beispiellosen wirtschaftlichen Abschwungs, der mit der Ausbreitung des Coronavirus im Frühjahr begann und seitdem deutliche Spuren im Arbeitsmarkt hinterlassen hat. Nach Berechnungen des Ifo-Institutes befanden sich im Mai in Deutschland rund 7,3 Millionen Beschäftigte in Kurzarbeit. Das sind fast fünfmal so viele Menschen wie 2009, als Deutschland im Nachgang der großen Finanzkrise von 2007/2008 von einer großen Rezession erfasst wurde.

Die aktuelle Ifo-Konjunkturprognose geht davon aus, dass das Bruttoinlandsprodukt, nach einem Minus von 2,2 % im ersten Quartal, im aktuellen Quartal um ganze 12,4 % schrumpfen wird, bevor in der zweiten Jahreshälfte eine wirtschaftliche Erholung auf die tiefe Rezession folgen dürfte. Hoffnung vermitteln die jüngsten Umfragen zum Konsum- und Geschäftsklima, denn die Erwartungen der Unternehmen und Verbraucher haben sich im Mai gegenüber den April-Daten leicht verbessert.

An diesem kritischen Punkt setzt das von den Koalitionsparteien in der vergangenen Woche beschlossene Konjunkturpaket an. Während die Bundesregierung in den ersten Monaten der Coronavirus-Krise Versicherungs- und Garantieleistungen aufbrachte, um die akute Liquiditätskrise, die mit dem Lockdown einherging, zu mildern, mobilisiert der Staat nun erneut umfangreiche Ressourcen, um die wirtschaftliche Erholung anzuschieben. Grob lässt sich das Konjunkturpaket in zwei Teile untergliedern: Zum einen besteht es aus Maßnahmen, die eine unmittelbare Konjunkturbelebung herbeiführen sollen, zum anderen aus einer Zukunftsstrategie, die strukturelle Veränderungen und Innovationen anstoßen und Unternehmen in Zukunft unterstützen soll.

Mehr als erwartet

Überraschend ist zunächst der finanzielle Rahmen des auf zwei Jahre angelegten Konjunkturprogramms. Mit einem Gesamtvolumen von 130 Milliarden Euro, das entspricht etwa einem Drittel des letzten Bundeshaushaltes, ist es weitaus großzügiger angelegt, als es die 50 bis 80 Milliarden Euro, von denen im Vorfeld der Verhandlungen in der Öffentlichkeit die Rede war, zunächst vermuten ließen. Die zweite große Überraschung war der Verzicht auf eine Kaufprämie für Autos mit Verbrennungsmotoren. Stattdessen wurde beschlossen, eine bereits bestehende Kaufprämie für Elektroautos auf 6.000 Euro zu verdoppeln und erstmals die Mehrwertsteuer temporär zu senken. Besonders letztere Konjunkturmaßnahme könnte eine erhebliche Breitenwirkung entfalten, weil sie insbesondere den unteren und mittleren Einkommensschichten, die einen großen Teil ihres Geldes für Konsumausgaben aufwenden, zu Gute kommt.

Entlastung auf breiter Front

Nach dem Willen der Koalition werden die Umsatzsteuersätze zwischen dem 1. Juli und dem 31. Dezember von 19 auf 16 Prozent und im reduzierten Satz von sieben auf fünf Prozent gesenkt werden, um die Verbraucher zum Konsum anzuregen. Die damit verbundenen Kosten belaufen sich auf rund 20 Milliarden Euro. Weitere wichtige Eckpunkte des beschlossenen Maßnahmenkatalogs sind eine Entlastung von Verbrauchern und Unternehmen bei den Stromkosten über die Deckelung der EEG-Umlage auf 6 respektive 6,5 Cent pro Kilowattstunde sowie eine Stabilisierung der Sozialversicherungsbeiträge bei maximal 40 % über Bundeszuschüsse. Die Kommunen sollen durch die Übernahme von Kosten für die Unterbringung von ALG-II-Empfängern und durch einen Ausgleich ihrer Gewerbesteuerausfälle entlastet und so zu Investitionen angeregt werden.

Kleinen und mittelständischen Unternehmen aus Branchen, die, wie das Hotel- und Gaststättengewerbe aufgrund der Coronavirus-Pandemie besonders schwer von Umsatzausfällen betroffen sind, werden in den kommenden drei Monaten zusätzliche Überbrückungshilfen über 25 Milliarden Euro gewährt. Eine allgemeine steuerliche Entlastung für Unternehmen soll über eine Verbesserung der Abschreibungsregeln sowie eine Erweiterung des Verlustrücktrags erfolgen, sodass krisenbedingte Verluste schon im laufenden Jahr mit Gewinnen aus dem Vorjahr verrechnet werden können. Darüber hinaus werden Familien mit Kindern mit einem einmaligen Bonus in Höhe von 300 Euro bedacht und ein drei Milliarden Euro-Programm für den Ausbau von Kitas und Ganztagsschulen aufgelegt.

Initialzündung oder teures Strohfeuer?

Wie genau das nun das vorgestellte Konjunkturpaket zur Überwindung der wirtschaftlichen Malaise beitragen wird, kann zum jetzigen Zeitpunkt nicht beantwortet werden. Der Ansatz einer breit angelegten Konsumförderung hat Kritiker auf den Plan gerufen, die vom „Prinzip Gießkanne“ sprechen, ein Vorwurf, der nicht völlig von der Hand zu weisen ist. Denn gerade die Branchen, die von der Viruspandemie besonders betroffen sind, verzeichnen Einbußen, die durch eine Steuersenkung nicht ausgeglichen werden können.

Zudem sollte, um eine signifikante, nachfragesteigernde Wirkung zu erzielen, die Mehrwertsteuersenkung von den Unternehmen möglichst vollständig an die Verbraucher weitergereicht werden. Das dürfte voraussichtlich aber nur in sehr wettbewerbsintensiven Branchen wie dem Lebensmitteleinzelhandel vollzogen werden. In anderen Einzelhandelsbereichen ist für die beteiligten Firmen der Anreiz groß, die Reduzierung der Steuersätze zu nutzen, um die eigenen Margen zu stärken, zumal viele Händler bereits unmittelbar nach dem Ende der Lockdown-Maßnahmen umfangreiche Rabattprogramme aufgelegt hatten. Generell positiv zu bewerten sind hingegen die allgemeinen Erleichterungen bei Steuern und Lohnnebenkosten, weil sie den Firmen mehr Liquidität und Planungssicherheit verschaffen dürften.

Der Blick nach vorne

Der Verzicht auf eine Kaufprämie für Autos mit Verbrennungsmotoren, welche im Gegensatz zu 2009 politisch nicht mehr zu vermitteln gewesen wäre, ist als Aufforderung der Politik an die deutsche Automobilindustrie zu verstehen, das bisherige Geschäftsmodell weiterzuentwickeln. Darauf zielt auch das 50 Milliarden Euro schwere Zukunftspaket ab, dessen Kern die nationale Wasserstoffstrategie bildet und das, neben einem milliardenschweren Ausbau des Netzes von E-Auto-Ladestationen und einem Programm zur Modernisierung der Flugzeugflotte, zahlreiche Forschungsvorhaben, zum Beispiel im Bereich Quantencomputing und Künstlicher Intelligenz fördert. Wichtig für die langfristige Bewertung des Konjunkturpaketes dürfte daher sein, ob diese umfassenden Investitionen in Zukunftstechnologien auch wirklich zeitnah umgesetzt und in der Entwicklung von international konkurrenzfähigen Produkten und Technologieanwendungen aus Deutschland münden werden.

Fazit

Mit der befristeten Senkung der Mehrwertsteuer beschreitet die Bundesregierung bei der Rezessionseindämmung neue Wege und setzt dabei implizit auf eine vergleichsweise robuste Erholung der deutschen Wirtschaft bis 2022. In der Rezession nach der Weltfinanzkrise 2007/2008 haben Länder wie Großbritannien mit diesem für Deutschland neuen Instrument insgesamt positive Erfahrungen gesammelt, auch wenn nur eine begrenzte Steigerung des Konsums erzielt werden konnte. In einem wirtschaftlichen Umfeld, in dem die internationale Dimension der wirtschaftlichen Erholung nur schwer abzuschätzen ist, ist das nun beschlossene Konjunkturpaket allerdings insofern konsequent, als das es stark auf die unmittelbare Belebung des Binnenmarktes abzielt.

In diesem Bericht erwähnte Branchen:

C20.11DE - Herstellung von Industriegasen

C27.12DE - Herstellung von Elektrizitätsverteilungs- und -schalteinrichtungen

C26.11DE - Herstellung von elektronischen Bauelementen

C29.10DE - Herstellung von Kraftwagen und Kraftwagenmotoren

C30.30DE - Luft- und Raumfahrzeugbau

G47.11DE - Supermärkte und Discounter

I55.10DE - Hotels, Gasthöfe und Pensionen

I56.11DE - Restaurants mit herkömmlicher Bedienung

Q88.91DE - Kindertagesstätten

In diesem Bericht erwähnte Einflussfaktoranalysen:

IBISWorld Einflussfaktoranalyse Bruttoinlandsprodukt

IBISWorld Einflussfaktoranalyse Konsumklima

IBISWorld Einflussfaktoranalyse Geschäftsklima

IBISWorld Einflussfaktoranalyse Konsumausgaben privater Haushalte

IBISWorld Einflussfaktoranalyse EEG-Umlage

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