Die Marktteilnehmer erwarten die erste legale Cannabis-Ernte in Deutschland im ersten Halbjahr 2021
Kanada, Australien, Israel, Portugal und weitere Staaten haben es vorgemacht: Seit dem 1. März 2017 dürfen auch Arztpraxen jeglicher Fachrichtung in Deutschland Cannabis zu medizinischen Zwecken verschreiben. Der junge Markt hat seitdem ein starkes Wachstum verzeichnet und insbesondere Start-Ups drängen hinein, um durch den Import von medizinischem Cannabis die steigende Nachfrage zu bedienen. Die erste legale Ernte von in Deutschland angebautem Cannabis wird bereits ungeduldig erwartet und dürfte nach mehreren Verzögerungen im ersten Halbjahr 2021 eingefahren werden.
Einsatzbereiche
Da medizinisches Cannabis über ein breites therapeutisches Spektrum verfügt, hat der Gesetzgeber darauf verzichtet, bei der Gesetzesänderung einzelne Indikationen – sprich die Gründe für den Einsatz von medizinischem Cannabis – aufzuführen. Häufig wird es bei der Behandlung von chronischen Schmerzen, Appetitlosigkeit oder Spastiken im Zusammenhang mit Multipler Sklerose verwendet. Die Verordnung von Cannabisblüten und -extrakten erfolgt gemäß der begründeten Einschätzung des behandelnden Allgemeinmediziners oder Facharztes. Sofern vor Beginn der Behandlung eine Genehmigung der gesetzlichen Krankenkasse vorliegt, übernimmt diese auch die Kosten der Therapie, allerdings nutzt sie häufig ihr Recht, die Therapie abzulehnen. Die Kosten werden lediglich bei rund 60 % der Antragsstellungen von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen, während private Krankenversicherungen die Therapie mit medizinischem Cannabis wesentlich häufiger übernehmen.
Anbau von Cannabis in Deutschland
Um langfristig das Ausfallrisiko aufgrund einer die Importe übersteigenden Nachfrage zu reduzieren, wird nun auch in Deutschland medizinisches Cannabis angebaut. Die der Bundesagentur für Arzneimittel und Medizinprodukte zugeordnete Cannabisagentur steuert und kontrolliert dabei den Anbau von medizinischem Cannabis in Deutschland. In einem europaweiten Ausschreibungsverfahren im Frühjahr 2019 erhielten zwei Tochterfirmen von kanadischen Unternehmen und ein deutsches Unternehmen (Aurora, Aphria und Demecan) den Zuschlag für die Lieferung von insgesamt 10.400 Kilogramm Cannabisblüten über den Zeitraum von vier Jahren. Der durchschnittliche Preis für ein Gramm Cannabisblüten liegt bei 2,20 Euro. Das Start-Up Cansativa GmbH hat als einziges Unternehmen den Zuschlag als Großhändler für Cannabisblüten aus deutschem Anbau erhalten. Nachdem es beim Ausschreibungsverfahren für die Produktion von deutschem Cannabis zunächst zu Verzögerungen kam, ist in der ersten Jahreshälfte des aktuellen Jahres mit der ersten Ernte zu rechnen.
Abhängigkeit von Importen
Bis dahin ist der Markt weiterhin von Importen aus dem Ausland – aus Portugal, Kanada, Israel und den Niederlanden – abhängig, um die boomende Nachfrage bedienen zu können. Seit der Änderung des Gesetzes kommt es zur Gründung zahlreicher Start-Ups, die von dem wachsenden Markt profitieren wollen, da die Margen wegen der hohen Nachfrage derzeit noch recht hoch sind. Während in den zehn Monaten nach der Freigabe im März 2017 noch 27.000 Rezepte und 44.000 Einheiten medizinisches Cannabis von den Apotheken ausgegeben wurden, waren es im darauffolgenden Jahr mit rund 95.000 Rezepten und 145.000 Einheiten bereits mehr als dreimal so viele. Der Internationale Suchtstoffkontrollrat schätzt den Bedarf an medizinischem Cannabis für das Jahr 2021 auf 18,3 Tonnen, die Menge wird jedoch im Laufe des Jahres voraussichtlich noch nach oben hin angepasst werden müssen, sodass der Großteil des Bedarfs nicht alleine mit in Deutschland angebautem medizinischem Cannabis, sondern weiterhin auch durch Importe gedeckt werden muss. Kritiker befürworten angesichts drohender Lieferengpässe aufgrund der weltweit steigenden Nachfrage nach medizinischem Cannabis eine Ausweitung des heimischen Anbaus, doch möchte die Bundesregierung zunächst erste Erfahrungen mit der aktuellen Ausschreibung machen.
Der deutsche Markt für medizinisches Cannabis steckt noch in den Kinderschuhen. Zwar werden mit dem heimischen Anbau erste Anstrengungen unternommen, doch wird der deutsche Markt weiterhin von Importen abhängig sein und der lukrative Exportmarkt für deutsche Cannabis produzierende Unternehmen verschlossen bleiben. Nicht nur in Deutschland, sondern weltweit, wird mit einer massiv steigenden Nachfrage nach medizinischem Cannabis gerechnet. Die FDP stellte daher bereits einen Antrag, die Anbaumengen zu erhöhen, um deutschen Unternehmen auch den Exportmarkt zu eröffnen.
In diesem Bericht erwähnte Branchen
G46.46DE - Großhandel mit pharmazeutischen, medizinischen und orthopädischen Erzeugnissen
K65.12DE - Nichtlebensversicherungen
O84.30DE - Sozialversicherungen