Was die Übernahme von Unitymedia durch Vodafone für den Telekommunikationssektor und die Verbraucher bedeutet
Bereits die Ankündigung der Übernahme der Liberty Global Tochter Unitymedia durch Vodafone im Mai 2018 gab im Telekommunikationssektor und darüber hinaus Anlass zur Sorge. Im Juli dieses Jahres erfolgte nun unter Auflagen die Zustimmung zu dieser geplanten Fusion seitens der EU-Kommission, die nach eingehender Prüfung zu dem Ergebnis kam, dass keine wettbewerblichen Bedenken vorliegen. Mit der Übernahme von Unitymedia ist Vodafone in der Lage, deutschlandweit Breitbandanschlüsse anzubieten. Vodafone dürfte mit dieser Fusion seine Wettbewerbsfähigkeit gegenüber der Deutschen Telekom sowie dem gesamten Telekommunikationssektor deutlich verbessern. Nun werden weitreichende Folgen für den Telekommunikationssektor befürchtet.
Wachstumsmarkt
Angesichts der fortschreitenden Digitalisierung und der vermehrten Nutzung von Informations- und Kommunikationstechnologien steigt die Nachfrage nach leistungsstarken Telekommunikationsnetzen, die den Bedarf der Unternehmen aber vor allem der privaten Haushalte decken. Die Kabelnetzbetreiber haben sich in den vergangenen Jahren zu einem Wachstumsmarkt entwickelt, denn neben dem Empfang von TV-Signalen bieten die neuen TV-Kabelnetze eine weitaus höhere Datenübertragungsrate als herkömmliche DSL-Verbindungen. Weil der Glasfaserkabelausbau in Deutschland im internationalen Vergleich jedoch noch am Anfang steht, konnten Kabelnetzbetreiber wettbewerbliche Vorteile genießen.
Nachdem Vodafone bereits 2014 Kabel Deutschland übernahm und damit Breitbanddienstleistungen in 13 Bundesländern anbieten konnte, wird Vodafone künftig durch die Integration von Unitymedia in Nordrhein-Westfalen, Hessen und Baden-Württemberg ebenfalls solche Dienstleistungen anbieten können. Die Zahl der Kabel-TV-Nutzer soll sich demnach von 7,7 Millionen auf 14 Millionen erhöhen und die Zahl der Internetkunden dürfte von 6,9 auf 10,6 Millionen steigen. Nach Angaben des Verbands der Anbieter von Telekommunikations- und Mehrwertdiensten (VATM) wird der Marktanteil von Vodafone, gemessen an der Anzahl der Breitbandanschlüsse, voraussichtlich von 19,9 % im Jahr 2018 auf 30,6 % im Jahr 2019 steigen somit zum Marktführer Deutsche Telekom aufschließen, der derzeit einen Marktanteil von 39,4 %, gemessen an der Anzahl der Breitbandanschlüsse, besitzt. Bis 2022 möchte Vodafone Gigabit-Anschlüsse für 25 Millionen Haushalte zur Verfügung stellen und dafür 12 Milliarden Euro in die Aufrüstung des Kabelnetzes investieren.
Kritik
Die Übernahme von Unitymedia durch Vodafone wurde von Branchenverbänden und Unternehmen gleichermaßen kritisiert. So urteilte Wolfgang Heer, Geschäftsführer des Bundesverbands Glasfaseranschluss (Buglas), die Fusion würde „erhebliche wettbewerbliche Implikationen“ haben, die sich „mittelfristig negativ auf die Angebotsvielfalt und die Endkundenpreise auswirken“ würden. Auch der Bundesverband Breitbandkommunikation (Breko) äußerte sich kritisch zu dieser Übernahme. Es käme, so der Verband, zu erheblichen Einschränkungen des Wettbewerbs, die zu Nachteilen für Bürger und Unternehmen führen könnten.
In einer gemeinsamen Pressemitteilung äußerten der Bundesverband Glasfaseranschluss, der Bundesverband Breitbandkommunikation, der Verband privater Medien sowie die Deutsche Netz Marketing GmbH ihre Bedenken in Bezug auf den sogenannten Gestattungsmarkt, also der Breitbandkabelversorgung von Wohneinheiten, in welchem Wohnungsbaugesellschaften die Hauptnachfrager sind. In dieser Pressemitteilung sehen die Verbände die Gefahr, dass es beim Zusammenschluss von Vodafone und Unitymedia ein Monopol entsteht. Es wird befürchtet, dass es dabei nicht nur zu Preiserhöhungen für Verbraucher kommen, sondern dass Vodafone eine Gatekeeper-Funktion einnehmen könnte. Der Konzern würde dann fast die Hälfte der Fernsehanschlüsse der deutschen Haushalte kontrollieren. Auch der Zugang zu Medieninhalten könnte eingeschränkt werden, denn das Machtverhältnis zwischen Fernsehveranstaltern und Vodafone würde stark in Richtung dieses Kabelnetzbetreibers verschoben werden. Auch die Wettbewerbssituation der Satellitenkommunikation, die Fernsehsignale über Satelliten an Haushalte überträgt, dürfte von dieser Übernahme geschwächt werden.
Die Auflagen, mit denen die Übernahme von der EU-Kommission gestattet wurde, sind in den Augen vieler Beteiligter unbefriedigend. So verpflichtete sich Vodafone, dem Mobilfunk- und Festnetzbetreiber Telefónica den Zugang zu seinem Kabelnetz zu gewähren. Dies würde laut des Bundesverbands Breitbandkommunikation die Marktposition der Deutschen Telekom derart schwächen, dass in den nächsten Jahren kaum Potenzial für einen FTTB-/FTTH-Ausbau vorhanden sein würde. Insbesondere mittelständische, regional tätige Unternehmen könnten hierdurch gefährdet werden.
Fazit
Die Auswirkungen der Übernahme von Unitymedia durch Vodafone werden im gesamten Telekommunikationssektor spürbar sein und sich auch auf Branchen wie die Herstellung von Glasfaserkabeln und den Kabelnetzleitungstiefbau auswirken. Während aus marktwirtschaftlicher Sicht die Übernahme sehr kritisch gesehen wird und Forderungen geäußert werden, dass regulatorisch für einen Erhalt des liberalisierten Telekommunikationsmarkts gesorgt werden sollte, könnte es, trotz Zusicherungen von Vodafone, zu höheren Verbraucherpreisen infolge einer geringeren Angebotsvielfalt kommen. Die Verhandlungsposition der Fernsehveranstalter gegenüber den Kabelnetzbetreibern würde ebenfalls geschwächt werden. Fraglich ist, ob der politisch angestrebte und geförderte Glasfaserausbau hierdurch in Stocken gerät. In jedem Fall werden aktuell rechtliche Mittel geprüft, die die Fusion noch aufhalten könnten. Die Deutsche Telekom erwägt außerdem, eine Klage beim Gericht der Europäischen Union (EuG) einzureichen.
In diesem Bericht erwähnte Branchen:
C27.31DE - Herstellung von Glasfaserkabeln
F42.22DE - Kabelnetzleitungstiefbau
J60.20DE - Fernsehveranstalter
J61.10DE - Leitungsgebundene Telekommunikation
J61.20DE - Drahtlose Telekommunikation
J61.30DE - Satellitenkommunikation
In diesem Bericht erwähnte Einflussfaktoren:
Einflussfaktoranalyse Digitalisierungsgrad